Nach zwei Stunden Flug sind wir am Internationalen Flughafen in Puebla angekommen. Der Flughafen ist klein aber noch kleiner sind die Gepäckbänder. Das ist zwar keine Attraktion aber solche Miniatur Gepäckbänder haben wir noch nie gesehen und wir fanden sie süß.
Wir schnappen unsere Rucksäcke, gehen hinaus und wechseln endlich unsere nicaraguanischen Cordoba in mexikanische Pesos. (Jetzt echte Pesos!) Vor dem Flughafen stehen keine Taxis, was uns doch verwundert. Stress haben wir aber keinen und so setzten wir uns kurz hin, schauen uns um und warten. Als drei Männer an uns vorbei zum Parkplatz gehen rufen sie fragend “Taxi?” wir antworten spontan mit “¡Si!” Die Männer gehen jedoch weiter und verschwinden. Wenige Minuten später fährt ein großer Van vor. Es sind die Männer von vorhin, die anbieten uns mitzunehmen. Offizielles Taxi ist es zwar keines aber die Männer wirken vertrauenswürdig. Es scheint als hätten sie gerade Dienstschluss und würden in einer Fahrgemeinschaft nach Hause fahren. Nachdem alle drei Arbeitsuniform (Autoverleih, usw.) tragen und definitiv adretter als wir daher kommen befürchten wir nichts schlimmes und lassen uns mitnehmen. 300 Pesos (ca. 14 Euro) kostet die Fahrt, was gar nicht so übel für Gringos ist, wenn man bedenkt das die Entfernung der Stadt eine gute halbe Stunde beträgt.
Carlos, unser Vermieter steht bereits vor der Eingangstür unseres Appartements. Er begrüßt uns auf deutsch mit einem freundlichen “Hallo, wie geht’s?”. “Danke, gut”, erwidern wir und sind verwundert. Es stellt sich heraus, dass Carlos und seine Frau Jesse bei Volkswagen, einem der größten Arbeitgeber in Puebla, arbeiten. Seit vielen Jahrzehnten wird hier unter anderem der VW Käfer produziert.
Zu einem ur-deutschen Unternehmen gehört naturgemäß auch die eigene Sprache und so sprechen unsere beiden Gastgeber hervorragend deutsch. Nach ausgiebigem Plaudern, natürlich ebenfalls auf deutsch, fährt Carlos nach Hause und wir machen es uns in unserer wunderschönen Wohnung gemütlich.
Insgesamt verbrachten wir 12 Tage in Puebla. Ein paar Tage haben wir uns der Arbeit und noch ausständigen Blogposts gewidmet. Die restliche Zeit waren wir mit Sightseeing beschäftigt, denn in Puebla gibt es viel zu sehen und erleben.
Das wohl touristischste was man machen kann ist, beim Zocalo (Parque Central) in einen Sightseeing Bus zu steigen der eine große Runde, inklusive kurzen Stopps, durch die Stadt macht.
Zuerst halten wir bei einer Fabrik wo uns die Produktion der berümten Talavera-Keramik gezeigt wird. In einem Innenhof eines großen Hauses wird hier tagein tagaus hübsches aber in unseren Augen auch sehr kitschiges Geschirr per Hand gefertigt.
Weiter geht’s mit einer geführte Tour durch die erst kürzlich freigelegten, unterirdischen Tunnel der Stadt. Den spanischen Erläuterungen des Tourguides konnten wir nicht folgen, also mussten wir später nachlesen, was er uns alles erzählt hat. Wir fanden heraus, dass erst vor kurzem damit begonnen wurde die Tunnel freizulegen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Davor rankten sich unzählige Legenden um deren Existenz. Allzu viel dürfte noch nicht über die unterirdischen Schächte bekannt sein und auch das gesamte Ausmaß ist noch nicht abzuschätzen. Was sicher sein dürfte ist dass die Tunnel am 5. Mai 1862 in der “Schlacht bei Puebla”, bei der die Franzosen durch mexikanische Truppen geschlagen wurden, als Fluchtwege verwendet wurden. Der 5. Mai (Cinco de Mayo) ist ein mexikanischer Feiertag und in Puebla erinnert unter anderem der “Boulevard Cinco de Mayo”, der sich an der Ostseite der Innenstadt vorbeischlängelt, an diesen Tag. Nachdem die Tour vorbei ist kommen wir am Ende des Tunnels in einer Gegend mit bunt bemalten Häusern wieder an die Oberfläche.
Die Fahrt geht weiter einen Hügel hinauf zur Zona Historica de los Fuertes, einem modern gestalteten Park mit Blick über die gesamte Stadt. Danach geht’s zurück zum Ausgangspunkt, vorbei am Mercado de Artesanes, durch eine Straße mit unzähligen Zuckerlgeschäften und an vielen weiteren historischen Gebäuden.
Mir hat die Stadtrundfahrt gefallen, um einen ersten Eindruck von Puebla zu bekommen.
Es war übrigens unsere zweite Tour dieser Art. In Granada haben wir zusammen mit unseren polnischen Nachbarn auch so eine Stadtrundfahrt gemacht, allerdings in einer Pferdekutsche, was dem ganzen schon mehr Charme verlieh. Im Bus oder in der Kutsche, es ist wohl in jeder Stadt das touristischste was man überhaupt machen kann, aber teilweise führen diese Touren weiter als man zu Fuß je kommen würde.
Apropos zu Fuß. Es bietet sich natürlich an in Puebla einfach loszugehen und zu entdecken. Neben den wunderschönen kolonialen Gebäuden gibt es unzählige Kirchen, viele Parks zum verweilen und natürlich unheimlich viel Kunst und Kultur zu erleben. Praktisch an jeder Ecke warten Sehenswürdigkeiten die entdeckt werden wollen und wenn einem mal nicht nach Sightseeing ist, kann man auch einfach nur das rege Treiben in den Straßen, Parks und Geschäften beobachten. Fad wird einem hier jedenfalls nicht.
Den besten Ausblick über die Stadt erhält man im Park Los Fuertes und im Museum Amparo. Die Dachterrasse des Museums lässt einen Blicke auf die Kathedrale von Puebla, weitere Kirchen und die umliegenden Vulkane erhaschen. Vom Park Los Fuertes aus erhält man einen guten Überblick über die gesamte Stadt. Aber auch vom 2013 erbauten Riesenrad in “Nuevo Puebla” (Neues Puebla) und von der Kirche auf der Pyramide in Cholula lässt sich die Stadt gut bestaunen. Letztendlich stellte sich das Dach unserer gemieteten Wohnung ebenfalls als guter Aussichtspunkt heraus.
Am Wochenende, als wir ankamen war direkt vor unserer Haustür ein Handwerksmarkt und um die Ecke eine Strasse mit Antiquitäten, die am Ende zu einem Flohmarkt führte. Das Sammlerherz dürfte hier wohl höher schlagen und für Vintage-fans gibt’s eine große Auswahl an schönen Gegenständen. Leider ist mein Rucksack zu klein also muss das schauen und sich inspirieren lassen ausreichen.
Als wir bei einem unserer Spaziergänge am Museo Tecnologico de Monterrey vorbeischlendern werden wir hineingewunken um uns den, bereits für Día de los Muertos (Tag der Toten) fertiggestellten, Altar anzusehen. Detailliert und schön gestaltet wird hier einem Verstorbenen gedacht, der sich laut Tradition bald auf seinen Weg vom Jenseits ins Diesseits macht. Nach so einer langen Reise ist man natürlich hungrig. Aus diesem Grund befinden sich neben Blumen und anderen Deko-Elementen die scheinbar zu den Hobbys oder der Arbeit des Verstorbenen passen, auch Essensgaben auf den Altaren.
Jetzt verstehen wir auch die aus Ton gefertigten Speisen wie Pan Dulce (Süsses Brot) und sogar Doughnuts, die wir am Mercado de Artesanes gesehen haben. Bis jetzt waren es für uns nur kitschige Souvenirs, denn wer bitte bringt aus Puebla einen Ton Doughnut statt einem Talavera-Keramik Teller mit? Aber bitte, jedem das seine, dachte ich mir noch ganz unwissend.
Im Lebensmittel Markt waren wir natürlich auch. Felix liebt diese Märkte, hauptsächlich wegen der Photomotive. Neben echtem Gemüse, Obst, Fleisch und Fisch gab es dort auch aus Zucker oder Marzipan gefertigte Miniaturkopien. Kein anderes Wort als “entzückend” beschreibt diese Altarbeigaben besser. Dass es sich dabei ebenfalls um Altarbeigaben handelt, stellten wir erst nach der Besichtigung unzähliger Altare fest, die während unseres Aufenthaltes wie Schwammerl aus dem Boden zu schießen schienen. Eh klar, denn der Tag der Toten rückte immer näher.
Entzückende Miniaturkopien begegneten uns erneut, als wir bei einem unserer Spaziergänge zufällig am Miniaturmuseum vorbei kamen. Höchstpersönlich wurden wir vom Aufseher des Museums durch die Ausstellung geführt. Rückblickend betrachtet, jetzt wo ich schreibe muss ich selber lachen, denn es scheint in Puebla von allem eine Miniaturkopie zu geben sogar von Puebla selbst! Die Stadt, deren Geschichte und sogar die vielleicht eintreffende Zukunft inklusive Aliens, in kleinen Schaukästen liebevoll dargestellt, kann im Museo de la Miniatura Poblana betrachtet werden. Mit großer Begeisterung erzählte uns der Aufseher zu fast jedem Schaukasten die dazugehörige Geschichte und wies, im wahrsten Sinne des Wortes, auf kleine Details hin.
Um zur Abwechslung Mal etwas richtig Großes zu sehen, sind wir in die nahegelegene Stadt Cholula gefahren. Nicht nur groß, sondern sogar dem Volumen nach die größte momentan bekannte Pyramide der Welt gibt es hier zu bestaunen. Wir haben uns alleine umgesehen und waren natürlich begeistert. Im Zentrum von Cholula, der ältesten noch bewohnten Stadt Mexikos, befindet sich ein mit Gras bewachsener Hügel. Auf der Spitze dessen steht eine kleine koloniale, gelb-weiß gefärbte Kirche. Darunter, viele Jahre verborgen, befindet sich die berühmte große Pyramide von Cholula. Ich persönlich bin weniger von der Größe sondern mehr von der Tatsache fasziniert, dass die Spanischen Inquisitoren keinen blassen Schimmer hatten was für ein Schatz der Menschheitsgeschichte unter ihrer Kirche schlummert. Hauptsache sie haben ihre Kirche prominent, von jedem Punkt der Stadt aus sichtbar, platziert.
Mit dem Taxi ließen wir uns direkt zum Eingang der Pyramide bringen, kauften uns ruck zuck ein Ticket und machten uns auf den Weg nach oben. Bevor wir allerdings Höhenmeter gut machen konnten mussten wir zuerst durch ein Tunnelsystem.
Dieses spuckte uns dann auf der gegenüberliegenden Seite der Pyramide, etwa auf gleicher Höhe wieder aus. Im Freien gelegene Treppen führten uns von diesem Punkt aus schließlich bis zum höchsten Punkt der Pyramide, der mit der bereits erwähnten Kirche geschmückt ist.
Oben angekommen konnten wir wunderbare Blicke über die Stadt, die umliegenden Berge, Vulkane (inkl. dem berühmten Popocatépetl) und die Ausgrabungsstädte genießen. Da wir relativ früh gestartet sind, hatten wir Anfangs noch Glück mit dem Wetter. Am Nachmittag zogen jedoch, wie beinahe jeden Tag, Wolken auf und es wurde kühler. Als wir nach einem ausgiebigen Spaziergang durch die Ausgrabungsstädte uns auch noch ein wenig in der Stadt umschauten wurde uns richtig kalt in unseren dünnen Pullis und wir entschieden zurück nach Puebla zu fahren.
In etwa gleich groß wie die große Pyramide von Cholula waren die Portionen des Poblano Restaurants, in dem wir am Ende schon Stammgäste waren. Ich beobachtete die lange Schlage an Gästen die vor dem Restaurant auf einen Sitzplatz warteten, kein einziger Tourist unter ihren. “Das müssen wir ausprobieren! Das muss beliebt und gut sein!”, meinte ich zu Felix. Wir sind auf unserer Reise immer gut gefahren, in die Restaurants zu gehen die von der lokalen Bevölkerung besucht werden, denn wer zahlt schon gerne für schlechtes Essen? Und wer weiß besser als die Einheimischen wo es gut ist? Das Essen war tatsächlich immer lecker und obendrein günstig. Suppe, Reis oder Salat, Hauptspeise und Nachspeise von 60 – 180 Pesos (3-8 Euro) je nachdem welche Hauptspeise man aussuchte. Das billigste Tagesmenü ist fast unschlagbar! So günstig, wurden wir verleitet öfter Essen zu gehen und kochten kaum, was auch mal eine Abwechslung brachte. Nachdem es mehrere und ständig wechselnde Hauptspeisen zur Auswahl gab freute es uns zusätzlich unterschiedliche typische Gerichte auszuprobieren.
Einen ganz besonderen Abend verdanken wir Jesse, unserer Vermieterin, die uns eine Abendtour durchs “Nuevo Puebla” (Neues Puebla) anbot. Übrigens ist hier gar nichts Miniatur. Ganz im Gegenteil. Ein Riesenrad, das deutlich größer als das Wiener Riesenrad ist, sagt wahrscheinlich eh schon einiges. Später, beim Nachforschen stellte sich heraus dass es sogar das größte in Nordamerika ist. Wir wurden von Jesse auf eine Fahrtrunde eingeladen und bestaunten Puebla bei Nacht. Neben Riesenrad und Einkaufszentrum, natürlich alles sauber und steril, ragen Hochhäuser à la Miami Beach empor.
Ausserdem führte uns Jesse kurz durch eine der neuen rund um die Uhr bewachten Wohnsiedlungen, die gut und gerne als Kleinstadt bezeichnet werden kann. Vor allem erfolgreiche Fußballer, Manager, viele Deutsche und auch “Narcos” haben sich hier angesiedelt. Wie offen Jesse mit der Tatsache umgeht dass Drogenhändler (Narcotraficantes, oder kurz Narcos) hier nicht nur leben sondern diesen neuen Teil der Stadt offenbar sogar finanziert haben, erstaunt uns. Scheinbar gilt Puebla sozusagen als “Sichere Zone” in der keine Rivalitäten zwischen den befeindeten Kartellen ausgetragen werden. Stattdessen können Narcos hier ungestört leben, ihre Kinder großziehen, die Stadt nach ihren Ideen und Bedürfnissen gestalten und die Streitigkeiten anderorts austragen. Die Stadtverwaltung duldet dies hat aber vermutlich auch gar keine andere Wahl. Während diese Tatsachen für uns sehr bizarr, fremd und ein wenig beunruhigend sind scheint es für Mexikaner ganz normal zu sein. Man hat sich damit abgefunden, wahrscheinlich so ähnlich wie die Italiener mit der Mafia.
Zurück im alten Puebla waren die Vorbereitungen für den bevorstehenden Día de los Muertos in vollem Gange. Neben einem Wer-ist-die-Schönste-Tote Wettbewerb in der Universität gegenüber unserer Unterkunft, fand am 30. Oktober eine Straßenparade statt, die scheinbar der Startschuss für die folgenden Feiertage war.
Unzählige verkleidete und geschminkte Menschen zogen gemeinsam durch die Straßen und wir, gefesselt von dem Schauspiel das sich vor unseren Augen entfachte, folgten der Traube und kamen mit dem Schauen kaum nach. Schrille, bunte und aufwändig gefertigte Kostüme, Musik, Tanz, Choreographie jeglicher Art… Kurz, ein Augenschmaus, der uns in Stimmung für die bevorstehenden Feiertage und damit verbundenen Festivitäten brachte.
Ein glücklicher Zufall verschlug uns in diese reizende, belebte und absolut sehenswerte mexikanische Großstadt, die momentan noch weitgehend von Touristenmassen verschont ist. Eigentlich sind wir nur nach Puebla gekommen um in kürzeren Abschnitten Oaxaca, unser nächstes und letztes neues Ziel auf dieser lange Reise, zu erreichen. Umso größer war die Überraschung dass sich Puebla als eines der Städte-Highlights auf unserer Reise herausstellte und wir sind sehr glücklich fast zwei Wochen hier verbracht zu haben.
Um noch tiefer in das wohl wichtigste Fest Mexikos einzutauchen fahren wir nun weiter nach Oaxaca und freuen uns obwohl wir ein wenig traurig sind diese wunderschöne Stadt schon wieder verlassen zu müssen.
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ein sehr schöner Beitrag! wisst ihr denn noch, wie das gute und günstige Poblano Restaurant hieß? liebe Grüße!