Wir haben uns Zeit gelassen. In Ruhe aufstehen, ordentlich frühstücken! Aus Erfahrung wissen wir ja bereits dass so ein ordentliches Frühstück wichtig ist, wenn es um bevorstehende, ungewisse Busfahrten geht.
Ausgiebig gestärkt, machen wir uns zu Fuß auf zu der Busstation in Granada, von der aus die Busse nach Rivas fahren. Den Weg kennen wir ungefähr. Gestern Abend haben wir unsere Nachbarn zu einem lokalen Restaurant begleitet und sind danach noch zur vermeintlichen Station gegangen. Der Mann der beim Wartehütterl stand erklärte Felix, dass der Bus von hier aus stündlich nach Rivas fährt. Gestern war allerdings Sonntag Abend und heute am Montag in der Früh sehen die Straßen ganz anders aus. Wo sich gestern nahezu menschenleere Straßen gesäumt mit einer Alee aus geschlossen Holzstandln befanden, ist jetzt gerade das Marktleben in vollem Gange. Laut, bunt, viele Menschen, viele Fahrzeuge aller Art und natürlich Tiere. Kurz verlaufen wir uns und stellen fest, dass wir mitten durch eine enge Marktstraße weitergehen müssen. Es ist immer noch eine kleine Überwindung und ein leicht unsicheres Gefühl mit all seinem Hab und Gut am Rücken durch solche Menschenmassen zu gehen aber oft gibt es gar keine Alternative. Zielstrebig, ohne uns von den Angebote der Marktverkäufer aufhalten zu lassen, gehen wir weiter.
Kurz bevor wir bei der Busstation ankommen ruft ein junger Mann fragend, ob wir nach Rivas wollen. Der Junge Mann deutet uns einen anderen Weg. Wir sind verwirrt, gehen aber dort hin wo wir gestern extra nachgefragt haben. Als wir bei der Busstation ankommen, sagt uns der Frisör der nebenan seinen Salon hat, dass der Bus um die Ecke ist. Der junge Mann hatte also recht. In Begleitung eines weiteren Mannes der uns über den Weg läuft, finden wir nun endlich um die Ecke an einigen weiteren Marktständen vorbei die richtige Station. Ein mittelgroßer Platz, gatschig, löchriger Boden mit Mist überseht. Unser Bus steht schon da. Ich erkundige mich, wann wir abfahren. Die Antwort ist weniger erfreulich. Leider gibt es zu viele unterschiedliche Informationen was die Abfahrtszeiten nach Rivas betrifft. Wir müssen nun 1 1/2 Stunden warten, freuen uns aber andererseits dass wir mit Sicherheit einen Sitzplatz haben werden.
Die Wartezeit ist spannend und ungewöhnlich. Ungewohnt zu dem was wir aus Guatemala kennen. Es steigen unzählige Verkäufer ein und aus. Sie verkaufen alles was man für so eine Busfahrt braucht oder auch nicht oder alles was man vergessen hat am Markt einzukaufen. Getränke, Essen, Süßigkeiten, sogar Taschenlampen und Radios werden angepriesen. Die Verkäufer sind teilweise von Kopf bis Fuß mit ihren Waren bestückt. Kurz bevor die Fahrt endlich los geht, steigt noch ein Prediger ein. Ich glaube zumindest dass es einer war. Am Ende seiner lautstarken Predigt verteilt er kleine, kitschige Kalenderkarten auf deren Rückseite Sprüche stehen. Danach sammelt er noch Spenden ein und die Fahrt geht los.
Der Bus ist mittlerweile voll, teilweise müssen die Passagiere stehen, obwohl auf den vorhandenen Sitzen immer nur zwei Personen nebeneinander sitzen. Das ist auch ungewöhnlich. In Guatemala sitzen drei bis vier Personen eingezwängt nebeneinander.
Abgesehen von diesen paar Unterschieden zu Guatemalas Chickenbussen, ist die Fahrt mit solchen Bussen schon zur Normalität für uns geworden. Zwischendurch schließe ich sogar meine Augen und Träume ein bisschen vor mich hin, natürlich immer mit einer Hand an der Stange des Vordersitzes um bei unerwarteten Bremsungen oder sonstigen unorthodoxen Fahrmanövern, sicheren Halt zu haben.
Nach einer Stunde kommen wir in Rivas an. Junge Taxifahrer versuchen uns natürlich zu einer Taxifahrt statt einer weiteren Busfahrt zu überreden. “Wo wollt ihr hin? Ometepe? San Juan del Sur? Der letzte Bus ist gerade gefahren!” bekommen wir zu hören, während wir unsere Rucksäcke vom Dach des Buses entgegennehmen. Ein paar Mal müssen wir wiederholen, dass wir mit dem Bus nach San Juan del Sur fahren wollen. Als die Taxifahrer endlich begreifen dass wir nicht ihre Kunden werden zeigt uns einer von ihnen freundlicher Weise den Bus, der 10 Schritte entfernt steht.
In diesem Chickenbus sitze ich neben einer älteren Dame und als der Bus losfährt setzen sich noch zwei junge Mädchen neben mich. Na wer sagts denn! Geht doch, auch hier in Nicaragua vier auf einem Sitz! Die zwei Mädchen wirken wie Geschwister. Die große hat die kleine am Schoß und passt auf, zahlt die Fahrt, prüft auf ihrem Handy die Zeit. Die kleine schläft während der Fahrt ein und kippt auf mich. Felix hat paar Reihen hinter mir Platz genommen und sitzt neben einem jungen Mann, der versucht seine gerade erstandenen Plastikblumen wieder zu verkaufen. Er erklärt ausführlich wofür man sie verwenden kann. Angefangen von der Geburt über die Hochzeit bis hin zum Begräbnis.
Kurz vor San Juan del Sur steigen immer mehr Leute aus. Angekommen in San Juan del Sur bin ich für ein Taxi, das uns zu unserer Unterkunft bringt. Es wären nur 10 Minuten zu Fuß aber diesmal bestehe ich auf den Luxus. Aus diesen 10 Minuten werden sowieso wieder 20 Minuten, denn die Sonne macht einen immer langsam und die Sonne hier ist unglaublich stark, aber das stellen wir erst in den nächsten Tagen fest.
Unsere Zielangabe Richtung “El Puente” (Brücke) versteht der Taxifahrer nicht. “¿Qué puente?”, also “Welche Brücke?” fragt er. Wir schafften es dann aber doch zu unserer Unterkunft und stellten selber fest, dass es die Brücke nicht mehr gibt, obwohl sie auf unserem Touristenflyer und auf Google Maps noch eingezeichnet ist. Lediglich die großen, roten Stahlträger stehen sich noch gegenüber.
Später erzählt uns die Unterkunftsmanagerin, dass die Brücke eingestürzt ist. Letztes Jahr zu Semana Santa (Ostern), das wichtigste Fest hier in Lateinamerika, begannen einige Leute auf der Brücke zu hüpfen, bis diese nachgab und einstürzte. Grobe Verletzungen gab es zum Glück nicht. Brücke aber auch nicht mehr. Momentan aber scheinbar auch nicht nötig, denn es fließt kein Wasser vom Rio Escondido über den Strand ins Meer. Heute zumindest noch nicht.
Nachdem wir uns eingerichtet haben, gehen wir noch zum Strand. Ziel erreicht! Wir sind an der Pazifikküste!
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