Brumm Brumm auf Ometepe - Part 1

Brumm Brumm auf Ometepe – Part 1

Während ich Palatschinken zum Frühstück mache, geht Felix zur Straße hinauf und schaut ob er für heute ein Moped ausborgen kann. Wir sind natürlich nicht sicher ob der in die Jahre gekommene, österreichische Moped Führerschein von Felix ausreicht, aber fragen kostet ja bekanntlich nichts.

Nach gefühlten 20 Minuten höre ich ein “Brumm-Brumm” näher kommen und schaue aus dem Fenster. Felix sitzt auf einem knallrotem Roller und fährt in unseren Garten. Es hat also funktioniert. Wie so oft, haben sich meine Worte “Hier in Nicaragua ist noch einiges möglich…” bestätigt und es hat sich endlich ausgezahlt das Felix seinen Führerschein mitgenommen hat. Auch wenn dieser überhaupt nicht nötig gewesen wäre, Reisepass hätte genügt. Heute machen wir also eine Moped Tour auf Ometepe.

Die Helme sind eigentlich nur zur Zierde und schützen nicht wirklich. Aber für 25 USD, inkl. Treibstoff aus der Flasche darf man nicht mehr erwarten.

Gleich geht's los
Gleich geht’s los

 

Nach kurzem einrichten und gewöhnen sind wir abfahrbereit. Ich schwinge mich auf den Rücksitz und klammer meine Arme um Felix’ Bauch. “Die Fahrt kann losgehen!” Okay, doch noch nicht. Ich steige wieder ab. Der Weg durch den Wald von unserer Unterkunft zur Hauptstraße hinauf ist zu uneben und verwurzelt. Felix fährt alleine hinauf, ich gehe ihm nach. Viel schneller ist er ohnehin nicht.

Jetzt aber! “Die Fahrt kann losgehen!” Wir fahren zunächst Richtung Playa Santa Domingo. Einige Male bleiben wir stehen, damit Felix Photos machen kann. Bei Santa Domingo machen wir eine längere Pause. Den Abschnitt von Merida bis hier her und weiter bis nach Moyogalpa kennen wir schon von unserem Tagesausflug mit Adolfo. Deswegen biegen wir hier ab und fahren stattdessen Richtung Santa Cruz.

Kreative Schaukel in Santa Domingo
Kreative Schaukel in Santa Domingo

 

Viele neue landschaftliche Highlights und Eindrücke ziehen an uns vorbei. Felix ist begeistert endlich Mal wieder selbst herumdüsen zu können. Relativ schnell stellt sich heraus, dass wir drauf und dran sind den Vulkan Maderas zu umrunden. Weiter und weiter verschlägt es uns in die wunderschöne Natur, sie verschlingt uns geradezu.

Natur
Natur

 

Mit der Zeit wird die Straße leider immer schlechter. Schlaglöchern, unzählige lose Steine, steile Hänge und von Asphalt natürlich keine Spur mehr. Immer öfter muss ich absteigen und die Hügel hinaufgehen. Nachdem wir mittlerweile schon mehr als die Hälfte der Runde geschafft haben wollen wir aber auch nicht mehr umkehren. “Die Hoffnung stirbt zuletzt!” Deshalb hoffen wir mal dass sich die Strassenbedingungen in einigen Kilometern wieder bessern.

The Road Ahead
The Road Ahead

 

Felix wurde vom Mopedverleih noch gewarnt, “Die Straße um Maderas ist sehr schlecht.” Bis jetzt war sie allerdings noch in Ordnung. Ursprünglich wollten wir nur von Merida nach San Ramon zum Wasserfall fahren, was Felix dem Mann beim Verleih auch mitteilte. Wie recht der Mann doch hatte, stellen wir jetzt gerade selber fest.

Ich schätze wir befinden uns momentan in der Nähe des Dorfes San Pedro. Merida ist eigentlich gar nicht mehr so weit entfernt. Eigentlich, wäre da nicht die schlechte Straße. Motorisierten Verkehr gibt es hier auch kaum mehr. Hauptsächlich Pferde kreuzen unseren Weg.

Vulkangestein
Vulkangestein

 

Wir stehen auf einer Anhöhe, die wir gerade mühevoll erklommen haben und sind hin und weg vom Ausblick. Plötzlich, ich schwinge mich gerade wieder auf den Rücksitz, ein kurzer, starker, brennender Schmerz auf meiner Hand. Wir bleiben stehen um herauszufinden was passiert ist. Um die schmerzenden Stelle bildet sich ganz kurz ein weißer Kreis, der aber binnen Minuten wieder verschwindet. Übrig bleibt ein leicht rötlicher Punkt in Sandkorngrösse. Es tut auch nicht mehr weh, also geht die Fahrt auch schon wieder weiter.

Der Ausblick
Der Ausblick

 

Mittlerweile ist uns das Wasser ausgegangen. Fast vier Liter hatten wir mit. Höchste Zeit bei der nächsten Gelegenheit Wasser zu kaufen. Berg auf, Berg ab, über Steine holpern wir tapfer weiter. Mehr als 10 km/h sind nur selten möglich. Der Tank wird plötzlich auch schneller leer, was ja eigentlich logisch ist. Zusätzlich hoffen wir, dass die Reifen nicht platzen beim Fahren über die Steine.

Endlich kommen wir zu einer Pulperia (Greißler mit Fensterverkauf). Ich setze mich auf die Holzbank vor dem Haus. Felix kauft Wasser. Es gibt allerdings leider nur eine kleine 300ml Flasche. Mir geht es schlagartig wieder schlechter. Meine Lippen zittern und ich verkrampfe mich wahrscheinlich zu sehr. Wir sitzen ein bisschen auf der Bank, trinken Wasser, essen Schokokekse. Ich versucht mich zu beruhigen. Als ich glaube es geht wieder, fahren wir weiter.

Leider nur für ein paar Minuten. Mittlerweile kann ich mich nicht mehr an Felix festhalten. Meine Hände sind steif geworden. Ich bitte Felix, “Bleib sofort beim nächsten Haus stehen! Es geht mir nicht gut!”. Als ein Haus, versteckt im Wald, in Sicht ist bleiben wir stehen. Ich gehe auf das Haus zu. Davor im Garten liegt ein dickes Schwein im Gras. Beim Haus schwingt eine junge Frau mit ihrem Baby in einer Hängematte, ein älterer Mann ohne Zähne in weißem Hemd und brauner Schlaghose steht neben ihr. Ich entschuldige mich bei ihnen und frage, ob ich mich setzen darf da es mir nicht gut geht. Ich zeige, dass ich meine Hände nicht bewegen kann. Auf einem der grünen Plastiksessel nehme ich Platz. Der Mann und die Frau sind verständlicherweise und sichtlich verwirrt, dennoch bemühen sie sich zu verstehen was überhaupt passiert ist. Hauptsächlich redet Felix mit ihnen, denn mir ist mein Spanisch gerade vergangen. “Wie alt ist das Kind?” schaffe ich zu fragen, auch um mich abzulenken.

Felix zwickt mich in den kleinen Finger und ich spüre nichts, nada! Nachdem das keine Meditationsübung ist bin ich eher beunruhigt von der Tatsache. Der Mann, den ich mir als alten weisen Doktor vorstellte, beginnt meine Arme von oben nach unten abzuklatschen um den Kreislauf wieder anzukurbeln. Das hilft sogar. Nach und nach kehrt Gefühl in meine Hände zurück. Wir gehen ein paar Schritte im Garten um das schlafende Schwein herum. Felix sagt: “Schau ein Glücksschwein”. Ich versuche mich an den Gedanken zu klammern. Als wir wieder Richtung Haus gehen drückt mir der Mann Blätter in die Hand. “Ich soll daran riechen. Limonen, zur Beruhigung der Nerven”, habe ich verstanden. Ich nehme die Blätter dankend entgegen und glaube einfach daran, dass sie helfen. Das Hirn ist ein Wunderwerk, denn unglaublicherweise beruhigen mich diese Blätter tatsächlich. Noch immer nicht ganz fit aber besser als vorher sind wir bereit den letzten Abschnitt bis nach Merida in Angriff zu nehmen.

Ich bitte Felix dem Mann ein paar Pesos zu geben. Er ist überrascht und freute sich über die 100 Cordoba. Seine Frau ist schon ins Haus verschwunden, bei ihm verabschiede ich mich mit einer Umarmung.

Den Rest der Fahrt halte ich die Limonenblätter fest an meine Nase. So fest, dass ich sogar Stückchen davon einatme. Felix fährt so schnell und gleichzeitig vorsichtig wie es bei den Strassenbedingung möglich ist, also eigentlich gar nicht aber das kann man nicht ändern. Die Devise lautet: “So schnell wie möglich und zielstrebig zu unserer Unterkunft!”. Umwege sind aber ohnehin nicht möglich, es gibt ja nur eine Straße.

Das einsame Haus befand sich in der Gegend um San Ramon. Mit dem Auto also höchstens noch 20 Minuten bis nach Merida. Nach ein paar Metern und Kurven, nach dem Haus, kommen auch schon wieder mehr Häuser und ein paar Hotels in Sicht. Eine Kurve weiter und die Welt sieht ganz anders aus.

Das Haus im Wald
Das Haus im Wald

 

Wir haben es geschafft. Wir sind zurück in Merida bei unserer Unterkunft. Obwohl ich erleichtert bin, dass wir es geschafft haben, würde ich gerne einen Arzt aufsuchen. Checken ob alles in Ordnung ist. Aber daraus wird nichts, denn es gibt hier keinen Arzt. Adolfo, dem wir schreiben, meldet sich eine Stunde später mit der Info, dass es in Altagracia eine 24 Stunden Klinik gibt. Doch wie würden wir da hinkommen. “Mit dem Moped, nein danke!” und wahrscheinlich macht der Aufwand meinen Zustand dann auch noch schlimmer…

Es hat begonnen stark zu regnen, ich liege bereits im Bett. Hamilton, einer unserer House Keeper hat sich im stürmenden Regen auf den Weg zu unserer Casita gemacht um nach mir zu sehen. Scheinbar hat Adolfo ihm bescheid gesagt. Felix erklärt was passiert ist. Hamilton bietet an, sollte ein Notfall auftreten könne er mich binnen 30 Minuten nach Altagracia bringen, mit dem Motorrad! Ich hörte dem Gespräch zu und bin endlich bereit mich zu beruhigen und einzuschlafen.

Wieder zu Hause
Wieder zu Hause

 

Hier war sie also wieder, die Hilfsbereitschaft, über die ich bereits berichtet habe.

Das Ende unserer schönen Motorradtour kostete mich so viele Nerven dass das einzig logische Resultat ein Nervenzusammenbruch war. Sage ich heute. Ich hoffe es zumindest. Das geringere Übel, im Gegensatz zu einer allergischen Schockreaktion, würde ich vorsichtig sagen. Die Psyche lässt sich gut behandeln, siehe Limonenblätter. Sollte es doch eine Allergie sein, werde ich das erst zu Hause erfahren. Zu wissen, dass man zu Hause in so einer Situation binnen wenigen Minuten die Möglichkeit einer Notversorgung durch einen Arzt bekommt ist etwas was ich durch dieses Erlebnis wahrscheinlich in Zukunft noch mehr schätzen werde als ohnehin schon zuvor.

Und wie heißt es so schön, was einen nicht umbringt macht einen stärker. Genau! Und aus diesem Grund setzten wir uns zwei Tage später noch einmal aufs Moped, diesmal allerdings hauptsächlich auf dem gut asphaltierten Streckenabschnitt. Bisschen Angst fährt noch mit aber die Angst gilt es zu bezwingen. Konfrontationstherapie.

Für mehr Photos von Ometepe, hier klicken.

2 Responses

  1. 220Stephania
    220Stephania at ·

    Was dich gestochen hat, weißt du nicht, oder? Ich finde es schön, dass die Leute dort geholfen haben, so weit es ihnen möglich war. Ich hoffe es geht dir heute wieder besser und es war wirklich nur eine allergische Reaktion gegen was auch immer. Bussis

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