Loco Dias - Part 2

Loco Dias – Part 2

Wir standen also, wie bereits geschildert, wortwörtlich vor verschlossenen Toren und wussten nicht recht weiter. Plötzlich kam ein Taxi angefahren und hielt direkt vor unsere Unterkunft.

Ein Mann, ich schätze Mitte 20, dünn, eine große Sonnenbrille auf, stieg aus dem Taxi. „Hola, yo soy Felix, … Philippa. Are you working here? We booked a room, but no one opens the door.” Der Junge Mann, sichtlich überfordert und genauso überrascht uns hier anzutreffen wie wir über sein erscheinen, zahlt zunächst den Taxifahrer.

„Hola! …“ es folgte viel Spanisch. „Oh, no espanol. Englisch maybe?” fragte Felix zaghaft. „Hola, my name is Enrique. So you are?” Wir stellen uns erneut vor und erklären noch einmal unsere Situation. Er fragte noch mit wem wir Kontakt hatten. „Soco?” „No Dora”, meinten wir. „Oh, you mean Donna (Die amerikanische Besitzerin des Grundstücks)?” fragte Enrique und im gleichen Moment verfiel seine Mimik eher in Richtung Verzweiflung. Wie auch immer öffnete er uns nun endlich die Haustür und wir durften in den Garten eintreten. Nach Enrique’s Begrüssung folgte die von Pandora. Allerdings ist Pandora kein Mensch sondern ein Hund. Sehr aufgeweckt, sehr wild wurden wir von ihr begrüßt.

Enrique fragte erneut welches Zimmer wir gebucht haben und brachte uns, nach kurzem alleine stehen lassen und Pandora einsperren, hinauf zu unserem Zimmer. Er ging die Stufen voraus und ich bemerkte seinen wackeligen Gang. Es war nur ein kurzer Augenblick aber sichtlich war er noch nicht ganz fit für den heutigen Tag.

Nicht nur wir bemerken, dass unser Zimmer noch nicht vorbereitet war, auch Enrique bemerkte dies und entschuldigte sich gleich mehrmals dafür. Wir stellen trotzdem unser Gepäck ab und schauten uns im Zimmer um. Irgendwas war hier faul. Vor allem die Kaffeemaschine war faul und schimmelt vor sich hin. Das Bett nicht frisch überzogen, der Zustand des Duschkopfes passte zur Kaffeemaschine.

Enrique war in der Zwischenzeit, während wir uns fragend umschauten, verschwunden. Er versuchte verzweifelt Soco zu erreichen. Soco ist, wie Enrique sagt, „the Maid of the house” und ihr Mann Raoul ist der Manager. Beide wohnen und arbeiten hier, sind aber auch in einem Restaurant und Guesthouse am Strand beschäftigt. Enrique holte uns aus dem ungemachten Zimmer und bat uns während wir auf Soco warten, in einem anderem vorbereiteten Zimmer zu verweilen. Scheinbar gab es eine Verwechslung was das Zimmer angeht. Allerdings wusste Enrique auch nicht mehr, da er hier nur als Putzkraft beschäftigt war und das nicht so richtig offiziell. Dieses Zimmer sah sehr schön hergerichtet aus. Eine Küche mit geputzter Kaffeemaschine kam mir gerade recht. Ich will zwar nicht wissen wie viele Schimmelphasen diese Maschine schon durchlebt hat aber es war mir schon egal. Momentan war sie benutzbar. Ich beschloss Milch holen zu gehen. Wenn wir schon nicht zu unserem Frühstück am Balkon kommen, dann wenigstens ein Kaffee. Gesagt getan, machte ich mich auf den Weg. Als ich zurück kam hatte sich an der ungewissen Situation leider nicht viel geändert.

Nach einer Weile saßen wir, Enrique, Felix und ich eher ratlos im Garten und kamen ins Reden. Enrique erklärte was er hier tut und das Donna ihn eigentlich nicht kennt, gar nicht kennen soll und er heute eigentlich auch seinen freien Tag hat. Er wollte nur schnell etwas holen und zum Strand fahren, relaxen. Er kennt da nämlich einen ganz besonderen Ort mit einen „Maya Castle”, sein Lieblingsort. Ob wir ihn vielleicht begleiten wollen? In der Nähe ist auch das Restaurant in dem er seinen zweiten Job hat und paar Schritte weiter wäre das wo Soco und Raoul zu finden sind. Wir können gemeinsam fahren. Mehr brauchte er Felix nicht zu erzählen. Ein geheimer Strandort. Felix war begeistert und sagte spontan zu.

„You can leave your bags here, just take all your personal stuff, passboard, money, … with you.” Also ich war nicht so begeistert von der Idee, aber eigentlich eher weil ich keine Lust hatte mich jetzt extra für den Strand umzuziehen. Manchmal trifft man einfach zu schnelle Entscheidungen oder gar keine weil alles so schnell geht und man lässt sich einfach mitreissen. Natürlich haben Felix und ich darüber gesprochen, beide haben wir festgestellt dass das eigentlich keine gute Idee ist aber trotzdem sind wir mit Enrique in ein Taxi gestiegen.

Nachdem sich Enrique schnell noch vier Bier gekauft hatte, ging die Taxifahrt zu sechst los. Wir drei saßen am Rücksitz. Ich in der Mitte. Vor mir stand ein kleines Kind das ich während der Fahrt an den Hüften festhielt. Auf dem Beifahrersitz saß ebenfalls ein kleines Kind. Mittlerweile kam ein ganz unschönes Gefühl in mir hoch. Eigentlich hätte ich in dem Moment sagen sollen, dass mir plötzlich ganz schlecht vom starken Kaffee ist aber ich habe nichts gesagt. Felix war mittlerweile auch wieder auf dem Boden der Realität und hatte meiner Meinung nach große Zweifel ob das wohl alles gut ausgeht.

Hier waren wir nun, mitten drin, drin im ungewissen Schlamassel. Wir waren ja schon öfter auf unseren Reisen in komische Situationen geraten aber diese war anders. Wir beruhigten uns mit der Tatsache, das Enrique ja einen Schlüssel für das Haus hat und Donna und Soco zumindest namentlich kennt. Zusätzlich meine Felix, wenn wir das hier überleben, dann überleben wir alles.

Enrique bezahle die Taxifahrt. Wir maschierten los. Ein wunderschöner Ausblick auf den Strand. Weit weg von Touristenattraktionen die in der Ferne zu sehen waren. Doch das war noch nicht das Ziel. Vor uns lagen große Felsen die es zu überwinden galt um zum geheimen Ort mit dem „Castle” zu gelangen. Ich wollte nicht mehr weiter, wollte eine Ausrede finden in der Nähe der Strasse zu bleiben. Enrique verstand nicht und meinte, aber dass ist doch noch nicht der beste Platz. Einige Meter weiter sah ich ein Touristenpärchen auch auf den Felsen herum klettern. Mein Ziel war es, in die Nähe dieses Paares zu kommen. Also folgten wir Enrique weiter, der ebenfalls in die Richtung des Tourristenpaares ging. Leider waren diese bald außer Sichtweite. Mit Flip-Flops und all unseren wichtigen Sachen kletterten wir über die Felsen.

Wie aus dem Nichts waren da plötzlich zwei andere Touristinnen. Sie folgten uns ein Stück und fragten viel in kurzer Zeit. Ich war froh dass sie aufgetaucht sind. Hauptsache nicht mehr alleine mit einem noch immer nicht eingeschätzen Fremden. Meine Freude und Erleichterung war leider von kurzer Dauer. Sie fragten woher wir ihn (Enrique) kennen. Meine Antwort muss sie so verschreckt haben dass sie sich entschieden eine gute Ausrede zu finden, uns nicht mehr zu folgen. Sie sagten sie würden ihre Rucksäcke und Wasser holen und uns schon einholen. Und weg waren sie und mit ihnen meine Erleichterung.

Nach vielen wackeligen, steilen Felsen waren wir endlich angekommen. Das ist es also! Der geheime Ort, das „Castle” von Maya erbaut, mit Ausblick auf den Strand. Wirklich schön. Das sogenannte „Castle” sieht man im Beitragsbild dieses und des letzten Blogeintrages. Wir versuchten nun das Beste aus der Situation zu machen und entschieden uns zu relaxen, so wie Enrique es auch tat. Bis jetzt hat uns niemand aufgelauert und es standen auch nicht plötzlich fünf dicke Freunde von Enrique da, die uns all unsere Habseligkeiten wegnehmen wollten. Ich war aber noch immer nicht wirklich relaxed! Felix auch nicht.

Plötzlich, siehe da tauchten tatsächlich die beiden Tourristinnen wieder auf. Sie hatten einen Umweg genommen. Machten ein paar Fotos und verschwanden wieder so schnell und in die Richtung aus der sie gekommen waren.

Nachdem wir genug mit Enrique geplaudert hatten und das Bier ausgetrunken war entschlossen wir uns den Rückweg anzutreten. Diesmal nahmen wir einen anderen Weg. Wir versuchen so zu gehen wie die Tourristinnen. Sichtlich kannte auch Enrique diesen Weg nicht denn nach ein paar Felsen und ein paar Wegen durch einen kleinen Dschungel war Sackgasse. Unmöglich da ohne Machete durchzukommen.

Sackgasse
Sackgasse

 

Wir kehrten um und kletterten wieder über die Felsen über die wir ursprünglich gekommen waren zurück. Fels, über Fels am „Castle de Maya” vorbei,  hinunter zum Weg. Alle drei fragten wir uns wie die zwei Tourristinnen da raus gekommen sind ohne ein zweites Mal an uns vorbei zu kommen. Und da kam sie, die Legende. Menschen in fremden Ländern haben immer Legenden für uns parat. Enrique erzählte uns am Rückweg über Frauen die betrunkenen Männer entführen und Tief in den Wald mitschleppen und verführen und die Seele rauben. Am nächsten Morgen ist der Spuk vorbei, man erwacht und weiß nicht was passiert ist. Sowas in die Richtung. Vielleicht waren das ja solche Frauen, wer weiß …

Felsen Klettern
Felsen Klettern

Zurück auf der großen Straße stiegen wir erneut in ein Taxi. Wir wollten nun endlich zur sagenumwobenen Soco. Doch nein, Enrique führte uns zu dem Restaurant wo er arbeitet. Alle begrüßten ihn und hatten ein seltsames Lächeln im Gesicht als sie uns sahen. Trotz toller Erlebnisse, Eindrücke, der grandiosen Aussicht am Fels, die wir allein nie gefunden hätten war mir noch immer nicht wohl bei der ganzen Sache. Und das obwohl wir uns nun in einem Strandlokal befanden dass touristischer wohl kaum sein konnte. Das Gefühl wurde wohl auch dadurch genährt dass uns Enrique von Anfang an versuchte zum Biertrinken zu überreden. In dem Punkt ließen wir aber nicht locker. Auch im Restaurant bestellen wir Cola und Wasser und einen Burrito zum „Frühstück”. Es war allerdings schon Mittag und wir hatten eine ziemlich anstrengend Tour hinter uns. Mir wurde nun wirklich unwohl. Es war einfach zu viel. Das Hirn arbeitete auf Hochtouren. Die ungewohnte Körperliche Anstrengung. Nicht zu vergessen der starke Kaffee in der Früh. Und natürlich, die Ungewissheit. Ich drängte also darauf endlich zu Soco zu gehen. Enrique war sich sichtlich unsicher ob er das Richtige tat indem er uns am Vormittag ins Haus lies, danach auf eine Strandtour entführte und jetzt zu Soco führen sollte. Schließlich war es nur Enrique’s Nebenjob das Haus zu säubern, mit den Buchungen hatte er nichts am Hut. Für eine Zigarette bat er uns  noch auf das höchste Plateau des Restaurants um die Aussicht zu genießen. Na gut, aber dann bitte zu Soco. Auch diese Aussicht war wie versprochen grandios. Auf der einen Seite Dschungel auf der anderen das Meer. Unbeschreiblich schön.

Ein paar Minuten später, ein paar Meter weiter fanden wir sie dann endlich! Mir fiel ein Stein vom Herzen. Soco existiert tatsächlich und auch ihr Mann Raoul. Enrique half bei der Kommunikation, denn Soco spricht, wie die meisten hier, kein Englisch. Soco schämte sich sichtlich für die Situation und entschuldige sich vielmals. Es wurde vereinbart, dass wir ins Hotel fahren und auf sie warten. Sie würde so in 2-3 Stunden nachkommen.

Gesagt getan, fuhren wir mit Enrique zurück zum Hotel und setzten uns dort hin wo dieser verrückte Tag begonnen hatte. Im Garten des Grundstücks, letztendlich doch jeder mit einem Bier in der Hand, verbrachten wir noch einige Stunden mit plaudern, lachen und mit Pandora, der Hündin spielend und auf Soco wartend.

Es war bereits Nachmittag als sie kam und das Zimmer herrichtete. Allerdings nicht unseres. Gegen 17.00 Uhr klopfte es an der Tür. Zwei Tourristinnen kamen und wurden sofort auf ihr Zimmer gebracht. Ich fand das nicht unbedingt lustig aber am Ende dieses Tages war das wohl nur mehr eine Kleinigkeit.

Irgendwann stand Soco da und teilte uns mit dass das Zimmer fertig sei. Gut dass wir kaum Spanisch sprechen. Hätte sie gesagt, das Zimmer ist „schon” fertig hätten wir einen Lachanfall bekommen. Zur Erinnerung: Wir standen bereits um 9.00 Uhr vor versperrten Toren. Nun ca. 8 Stunden später brachten wir dann unsere Rucksäcke hinauf und sagten noch zu Enrique wir würden gleich wieder runter kommen. Die Kaffeemaschine war die gleiche, doch der Schimmel war wie durch Zauberhand verschwunden, der Duschkopf war ebenfalls aus der Schimmelphase geholt und das Bett war frisch gemacht.

Enrique und Soco
Enrique und Soco

 

Als wir wieder unten im Garten ankamen war Enrique verschwunden. Soco meinte er ist eingeschlafen. Na dann: Buenos Noches!

Wir gingen noch eine Runde spazieren und eine Kleinigkeit essen. Wir ließen diesen Tag Revue passieren.

Nein, wir hätten nicht mit einem Fremden irgendwo ins Nirgendwo fahren sollen. Nein, wir hätten nicht all unsere wichtigen Sachen mitnehmen sollen. Nein, wir hätten nicht blind vertrauen sollen. Nein, wir hätten nicht sagen sollen, das es in Ordnung ist einen halben Tag auf ein Zimmer zu warten. Wir haben einiges falsch gemacht aber am Ende des Tages war es das dann doch wert.

Und das nächste Mal, wenn sich wieder einer dieser Tage anbahnt und wir uns wieder mitten drin in so einer Situation befinden, werden wir uns wahrscheinlich wieder mit den Worten „Wenn wir das hier überleben, überleben wir alles” beruhigen und genau so weiterreisen.

Buenos Noches!

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7 Responses

  1. Renate
    Renate at ·

    Aber hallo, da habt ihr ja ganz schön was erlebt und fürs Leben gelernt *ggg*

    Zum Glück ist alles gut ausgegangen und ihr seid wohlauf! :-)

    Renate

  2. Andrea Deimel
    Andrea Deimel at ·

    :-)
    Gegen Schimmel: Essig durch die Kaffeemaschine laufen lassen, dann 2x klares Wasser.

  3. 220Stephania
    220Stephania at ·

    Habe die Story gestern am Weg in die Arbeit im Zug gelesen … sehr abenteuerlich! Also ich hätt mich das so nicht getraut. Aber wie du schreibst, erlebt habt ihr was, gesehen habt ihr Orte, die ihr sonst vielleicht nicht besucht hättet. Noch einmal gut gegangen :) Wurde Enrique wieder mal gesehen? Oder war er nachm Schlafen weg :)

  4. Martin
    Martin at ·

    Cool, no risk no fun. Nein Im Ernst, das hatte ins Auge/Geldboersl gehen können, beneide euch trotzdem total, zu heiss, Burrito zum Frühstück, Strand,Dschungel Meer… Alles Gute!

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